Polizisten klagen bereits seit längerem hinter vorgehaltener Hand darüber, Straftätern im Asylverfahren fast machtlos gegenüberzustehen. „Wir erleben, dass der eine oder andere Flüchtling recht flott Straftaten begeht“, sagt Rüdiger Seidenspinner. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert, dass die üblichen Sanktionen oft nicht griffen: „Wer eine Geldstrafe bekommt, kann die nicht bezahlen.“ Andere Täter tauchen einfach unter. Und wer wiederholt auffällig wird, muss noch lange nicht fürchten, Deutschland verlassen zu müssen. Das nutzen zunehmend auch Kriminelle aus, die unter dem Schutzmantel des Asylrechts ausschließlich nach Deutschland kommen, um Einbrüche zu begehen oder mit Drogen zu handeln.
Bei Ausweisungen wird das Asylverfahren abgewartet
„Wir müssen sauber trennen“, sagt Carsten Dehner vom Innenministerium. „Eine Straftat von Flüchtlingen wird von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt wie jede andere auch.“ Jeder Täter bekomme eine angemessene Strafe bis hin zur Haft. Auf das Asylverfahren hat das jedoch erst einmal keine Auswirkung. „Straftaten können zwar ein Ausweisungsgrund sein, allerdings warten wir ab, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist und feststeht, ob der Betroffene ohnehin gehen muss“, so Dehner. Danach prüfe man, ob eine Ausweisung möglich sei. Zwischen einer Verurteilung und der Asylentscheidung lägen in der Regel „keine Jahre“. Zusätzlich schütze die Genfer Flüchtlingskonvention Asylbewerber. Sie könnten „nicht einfach ohne Prüfung zurückgeschickt werden“.
Viele Polizisten frustriert dieser Zustand. Denn sie sehen, dass Straftaten zunächst einmal keine Konsequenzen für den Aufenthalt in Deutschland haben. „Es ist eine Belastung für die Kollegen, wenn sie immer wieder auf dieselben Täter treffen“, weiß Seidenspinner. „Das ist zwar das Los eines Rechtsstaates, aber sowohl den Bürgern als auch den Polizeikollegen schwer zu vermitteln.“ Der GdP-Vorsitzende fordert, diesen Zustand zu ändern: „Jemand, der Schutz sucht, sollte sich so nicht verhalten. Deshalb muss man überlegen, ob jemand, der mehrfach erhebliche Straftaten begeht, nicht sein Recht auf Asyl verwirkt. Der Gesetzgeber muss da Klarheit schaffen.“
Zahl der Straftaten steigt an
Das Thema verschärft sich auch deshalb, weil die Zahl der Delikte von Flüchtlingen steigt. Aus einem Lagebild, das die Polizei für das Innenministerium erstellt hat, geht hervor, dass es zwischen Januar und Oktober in Baden-Württemberg 23 511 Straftaten gegeben hat, in denen Asylbewerber als Täter aufgetreten sind. Darunter finden sich häufig sogenannte Armutsdelikte, etwa 6451 Ladendiebstähle oder 4385 erwischte Schwarzfahrer. Es sind aber auch Tausende schwere Straftaten dabei: Der Bericht listet 873 gefährliche oder schwere Körperverletzungen auf, 663 Wohnungseinbrüche, 1565 Rauschgift- und 202 Sexualdelikte. Die Opfer sind häufig andere Flüchtlinge, aber bei weitem nicht immer. Gut 4000 der Straftaten haben sich innerhalb von Asylbewerberunterkünften abgespielt. Immer öfter löst die Überfüllung dort schwere Konflikte aus.
In den ersten zehn Monaten des Jahres hat es im Land insgesamt 450 000 Straftaten gegeben. Gut fünf Prozent sind von einem Asylbewerber verübt worden, die Quote liegt zwischen drei- und viermal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung, was Experten aber auch mit der hoch angespannten Unterbringungssituation begründen. Im selben Vorjahreszeitraum hat die Polizei lediglich 13 135 Straftaten von Flüchtlingen gezählt.
Polizeipräsenz soll hoch bleiben
Beim Innenministerium will man die Zahlen richtig eingeordnet wissen. „Der Anstieg ist relativ, weil die Zunahme von Flüchtlingen viel größer gewesen ist als die Zunahme von Straftaten“, sagt Dehner. Trotzdem wolle man „Schlüsse daraus ziehen“. So soll die erhöhte Polizeipräsenz insbesondere an als kritisch geltenden Unterkünften beibehalten werden.
Das wird so manchem frustrierten Beamten nicht weiterhelfen. Im Gegenteil. „Wenn die Belastung so weitergeht, werden wir das nicht mehr schaffen“, sagt Seidenspinner. Freie Wochenenden seien für viele Polizisten „wie Märchen aus einer anderen Welt“.
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